UmweltNachrichten Heft 2/2003 zur Liste | home

Kristallines Silizium, das „Brot“ der Photovoltaik

Die Menge der aus Sonnenlicht mit Hilfe von Solarzellen gewonnenen Elektroenergie liegt gegenwärtig deutlich unter der anderer regenerativen Energieformen wie Wasser- und Windenergie. Jedoch ist die Photovoltaik (PV) am weitesten verbreitet und erfreut sich schon lange hoher Aufmerksamkeit. Häufig begegnen wir den Solarzellen sowohl im privaten und beruflichen Alltag als auch in Berichten aus Forschung und Technik. Wir finden sie an Hausdächern, Fassaden, beleuchteten Hausnummern, Parkautomaten, Taxi- und Notrufsäulen, als Stromversorgung von Sendestationen und konzentriert in Solarkraftwerken auf Inseln oder anderen abgelegenen Orten. Die Stärken der Photovoltaik bestehen gegenwärtig in ihrer unabhängigen, weiträumigen und verlässlichen Verfügbarkeit. Ihre Perspektive begründet sich auf der gewaltigen Lichtmenge, die die Sonne zur Erde strahlt, aus welcher das ca. 3000 fache des gegenwärtigen Energieverbrauchs der Menschheit gewonnen werden kann.

Doch auf dem Weg zur ökonomisch sinnvollen und ökologisch akzeptablen Energieversorgung mit Solarstrom liegen noch große Hindernisse. Die Solarzellen müssen effizienter und billiger werden, um wirtschaftlich mit fossilen Energieträgern konkurrieren zu können. Genauer, der Preis für das „Watt“ installiertes Leistungsvermögen muss von heute 2-3 Euro auf unter 1 Euro gesenkt werden. Die Rohstoffbasis für eine Massenproduktion muss praktisch unbegrenzt und deren ökologische Nebenwirkungen klein im Vergleich zu Kohle, Öl, Gas oder Atomenergie sein. Weiterhin muss während der Lebensdauer der PV-Systeme die zu ihrer Herstellung verbrauchte Energie mehrfach erzeugt werden können.

Einkristallzuechtung

Tiegelfreies Floating-Zone-Verfahren: oben der abschmelzende Silizium-Rohstab, in Bildmitte die von der tellerförmigen Induktionsspule umschlossene Schmelzzone und unten der wachsende Siliziumeinkristall mit einem Durchmesser von 10 Zentimeter. Foto: Institut für Kristallzüchtung (IKZ)

Betrachtet man diese Anforderungen im Zusammenhang, läge letztlich der Schlüssel zum „solaren Energieparadies“ in der Entwicklung des physikalisch, ökonomisch und ökologisch optimalen PV-Basismaterials.

Von Zeit zu Zeit wurden sowohl in der wissenschaftlichen als auch populären Presse sensationelle PV-Basismaterialien vorgestellt, wie Cadmiumtellurid, Kupfer-Indium-Selenid, Galliumnitrid, Germanium-Silizium oder organische Halbleiter. Diese Materialien zeigen neben ihren Stärken in einzelnen Leistungsparametern auch Schwächen. Beispielsweise bei Preis, Verfügbarkeit, Wirkungsgrad, Leistungsverfall oder Giftigkeit. In Einzelfällen sorgte die Rekordjagd nach optimalen Basismaterialien leider auch für peinliche wissenschaftliche Fehlleistungen.

Ein „solarer“ Mehrkämpfer, der kaum von Sensationen begleitet wird, aber durch Ausgeglichenheit in seinen Leistungsparametern letztlich das beste Gesamtergebnis erreicht, ist das kristalline Silizium, das schon in den Anfängen der Satellitenforschung eingesetzt wurde und mit dem auch heute noch am häufigsten Solarstrom erzeugt wird.

Metallurgisches Silizium

Etwa 25 Prozent der Erdkruste bestehen aus Silizium. In Form von Quarz (Siliziumdioxid) steht es fast unbegrenzt und sehr billig zur Verfügung. Im Lichtbogen wird das Dioxid mit Koks bei ca. 2000°C zu flüssigem Silizium reduziert. Das so gewonnene metallurgische Silizium (MG-Silizium) kann mit seiner 96- bis 98-prozentigen Reinheit zwar in der Metallurgie verwendet werden, aber für Solarzellen reicht das nicht. Durch metallurgische Methoden wie der Seigerung und anschließendem Auslaugen des Siliziums mit Salzsäure (vermittels Salzsäure werden metallische Verunreinigungen wie Eisen entfernt) erhält man das so genannte UMG-Silizium (upgraded MG-Silizium) mit einer Reinheit bis zu 99,99 Prozent.

Das Verfahren der Seigerung beruht darauf, dass Verunreinigungen in einer allmählich erstarrenden Schmelze bevorzugt in der flüssigen Phase verbleiben und sich damit im zuletzt verfestigten Teil anhäufen. Dieser zuletzt erstarrten Teil des gegossenen Blockes wird abgetrennt und der übrig gebliebene Teil des Blockes ist reiner als zuvor.

Am Institut für Kristallzüchtung in Berlin (IKZ) haben wir in einem Verbundprojekt der Europäischen Union mit Partnern aus Norwegen und Italien eine Methode entwickelt, bei der durch wiederholtes Aufschmelzen von UMG-Silizium hochreine multikristalline Blöcke erzeugt werden. Auf davon abgeschnittenen Scheiben kann zusätzlich, durch so genannte Epitaxie, eine kristalline Schicht aus Halbleitersilizium abgeschieden werden, die auf der sonnenzugewandten Seite der Scheibe die eigentliche Solarzellenfunktion erfüllt.

Halbleitersilizium

Lässt man MG-Silizium mit Chlorwasserstoffgas und Wasserstoff bei einigen 100°C reagieren, erhält man Trichlorsilan, eine chemisch stabile Flüssigkeit, die wegen Ihres Siedepunkts bei 32°C gut durch Destillation gereinigt werden kann. Diese hochreine Flüssigkeit zersetzt sich bei noch höheren Temperaturen zu halbleiterreinem Silizium in Form von Stangen oder Granulat. Das so gewonnene Halbleitersilizium ist etwa 1000mal (7N) reiner als UMG-Silizium. Die Stangen werden überwiegend zur Züchtung von Einkristallen verwendet und das Granulat ist, wegen des um ca. 40 Prozent geringeren Preises, für die Photovoltaik interessant.

In unserem Labor im IKZ züchten wir Siliziumeinkristalle nach dem Floating-Zone-Verfahren (FZ-Silizium) berührungsfrei aus der Schmelze (siehe Abbildung). Daraus hergestellte Solarzellen erreichen wegen der hohen Reinheit des Materials die für Silizium höchsten Wirkungsgrade. Im Labor von Martin A. Green an der Universität Sydney in Australien wurde mit FZ-Silizium ein Rekordwirkungsgrad von 25 Prozent erreicht. Im Vergleich dazu wurde am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg (Breisgau) mit dem preisgünstigeren aber nicht ganz so reinen Czochralski-Silizium (CZ-Silizium), das aus einem Tiegel gezogen wird, ein Wirkungsgrad von 23 Prozent erzielt. In beiden Fällen handelte es sich um mikrostrukturierte Hightech-Solarzellen.

Kostenprobleme

Die beeindruckenden Rekordwirkungsgrade haben jedoch auch Ihre Schattenseiten: Sowohl die Preise für einkristalline Siliziumscheiben als auch die Herstellungskosten der mit Methoden der Mikroelektronik strukturierten Solarzellen werden nicht von den hohen Wirkungsgraden aufgewogen. Andererseits werden mit billigem Grundmaterial wie dem UMG-Silizium nur recht bescheidene Wirkungsgrade von ca. 10 Prozent erreicht. Für die gleiche elektrische Leistung werden also mehr Solarzellen benötigt, so dass auch hierfür hohe Kosten anfallen.

Es gilt also, den besten Kompromiss zwischen Materialkosten, Herstellungskosten und Wirkungsgrad der Solarzelle zu finden, der den Preis für den erzeugten Solarstrom minimiert. Gegenwärtig kommt man für terrestrische Anwendungen mit polykristallinem Silizium bei einem Wirkungsgrad der Zelle um 16 Prozent auf Solarstromkosten von ca. 0,30 Euro pro Kilowattstunde, also etwa dem doppelten Preis der zur Zeit für Kraftwerksstrom zu zahlen ist.

In den letzten zehn Jahren wurden die Kosten für PV-Strom um fast die Hälfte reduziert. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend weiter anhält, während wir gleichzeitig mit der entgegengesetzten Tendenz beim Ölpreis rechnen müssen. Wenn wir also mit den Anstrengungen bzw. Aufwendungen für die Weiterentwicklung der Photovoltaik und der entsprechenden Materialforschung nicht nachlassen, sollte in ein paar Jahren der Solarstrom eine sichere Alternative zur konventionellen Stromerzeugung werden.

Sparpotentiale

Obwohl Silizium ein preisgünstiges PV-Material ist, sind längst nicht alle Verfahrensschritte vom „Sand bis zur Scheibe“ optimiert. Einige Aspekte sollen kurz angerissen werden:

  • Rohmaterial
    Heute werden für Solarzellen immer noch Abfälle der Kristallzüchtung und der Chipherstellung genutzt. Da diese nur begrenzt angeboten werden können, sind die Marktpreise recht hoch, vor allem weil die Nachfrage aufgrund der seit Jahrzehnten anhaltenden Wachstumsraten der PV-Energieerzeugung von mehr als 15 Prozent weiterhin steigt. Es ist heute eine Situation herangereift, die nach einem neuen, den Erfordernissen der Photovoltaik angepassten Verfahren für die Herstellung von „Silizium aus Sand“ verlangt. Die Qualität sollte über der von UMG-Silizium und der Preis unter dem für „electronic grade“ liegen.

  • Scheibenherstellung
    Das Sägen hauchdünner Siliziumwafer verursacht hohe Kosten. Neben den unvermeidlichen Bruchverlusten geht beim Sägen fast die Hälfte des Blockmaterials verloren, da die Schnittbreite etwa gleich der Scheibendicke ist. Das unmittelbare Ziehen von Siliziumbändern aus der Schmelze gelingt schon heute mit dem so genannten Oktogon-Verfahren. Die Materialqualität ist jedoch nicht optimal. Ein effektives Bandziehverfahren würde die Kosten für die Oberflächenbearbeitung senken.

  • Kristallzüchtung
    Auch die klassische Kristallzüchtung hat noch Einsparpotentiale für die Photovoltaik, da sie bisher nur der Elektronik (Chipherstellung) angepasst wurde. Es könnten billigere Rohstäbe oder schnelleres Kristallwachstum angestrebt werden. Auch ein quadratischer Stabquerschnitt verringert die Kosten.

Ausblick

Wenn auch weiter nach neuen Materialien für Solarzellen geforscht werden muss, ist die Weiterentwicklung des „alten“ Siliziums ein sinnvolles Konzept, um den ökonomischen Durchbruch der Solarenergie in absehbarer Zukunft zu schaffen. Neben dem hehren Ziel der energetischen Zukunftssicherung sind die bei einem solchen Erfolg zu erwartenden beträchtlichen Impulse für das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt nicht hoch genug einzuschätzen.

Dr. Helge Riemann

Institut für Kristallzüchtung
Berlin


     Die Redaktion Umwelt, am 16. Juni 2003 – ugii Homepages –