Umweltpanorama Heft 13 (August 2006) zur Liste | home

Nationales Treibhausgasinventar

Wie funktioniert das Zählen von Emissionen?

Seit Beginn der Industrialisierung konnten überregionale bis globale Änderungen im Stoffhaushalt der Atmosphäre beobachtet werden. So stiegen weltweit die Konzentrationen von Kohlendioxid um etwa 30 Prozent, die des Methans um 145 Prozent und die des Lachgases um 15 Prozent gegenüber den Werten vorindustrieller Zeiten. Zudem gelangen völlig neue Gase, wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und weitere sogenannte F-Gase in die Atmosphäre; Stoffe, die die Natur ohne menschliches Zutun nicht hervorbringen kann. Durch die mengenmäßige Zunahme der Treibhausgase kommt es zu einer Verstärkung des Treibhauseffektes und damit zu einem Anstieg der bodennahen Temperatur. Der natürliche Treibhauseffekt ist lebensnotwendig – seine Verstärkung durch menschlichen Eingriff gibt Anlass zur Sorge; die Änderung erfolgt zu schnell, als dass sich die bestehenden Systeme ohne Schäden an die neuen Klimaverhältnisse anpassen können.

In seinem letzten Sachstandsbericht von 2001 stellte das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) als wissenschaftliches Gremium im Auftrag der UNFCCC *) (Klimarahmenkonvention) unter anderem fest, dass die mittlere globale Lufttemperatur in den letzten 100 Jahren um 0,4 bis 0,8 Grad Celsius angestiegen ist.

Die Klimarahmenkonvention wurde im Jahre 1992 in Rio de Janeiro von fast allen Staaten der Welt verabschiedet. Seit 1994 müssen die in Anhang I der Konvention benannten Staaten jährlich zum 15. April ein Inventar der Treibhausgase an das Sekretariat der Klimarahmenkonvention übermitteln. Es sind Angaben zu den Emissionen und Senken beginnend mit dem Basisjahr (1990 für die oben genannten natürlichen Gase; 1995 für die F-Gase) zu ermitteln und zu berichten.

Auf der dritten Vertragsstaatenkonferenz in Kioto wurden erstmals rechtsverbindliche Begrenzungs- und Reduktionsverpflichtungen für die Industrieländer festgelegt. Die Europäische Gemeinschaft hat im Rahmen des Protokolls die Verpflichtung übernommen, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Zeitraum 2008–2012 gegenüber dem Basisjahr um acht Prozent zu mindern. Diese Verpflichtung wurde zwischen den Mitgliedstaaten der EU aufgeteilt, nach der Deutschland mit 21 Prozent Emissionsminderung gegenüber dem Basisjahr einen erheblichen Beitrag zu leisten hat.

Abgrenzungen

Die Wirksamkeit und der Erfolg des Kiotoprotokolls hinsichtlich der Senkung von weltweiten Treibhausgasemissionen wird von zwei kritischen Faktoren abhängen: 1. Ob die Vertragsstaaten sich an die Regeln des Protokolls halten und ihre Verpflichtungen erfüllen und 2. Ob die Emissionsdaten, die zur Erfüllungskontrolle genutzt werden, zuverlässig sind. Damit kommt der nationalen Berichterstattung und der anschließenden internationalen Überprüfung von Emissionsinventaren eine Schlüsselrolle zu.

Der Begriff Inventar ist gegen die Begriffe Register oder Kataster abzugrenzen. Inventare sind immer reine Zahlenwerke in Form von Tabellen, in denen Schadstoffe und Emissionsquellen oder Emissionsquellen und Bezugsjahre aufgelistet sind. Register oder Kataster haben in den meisten Fällen räumliche Bezüge, basieren selbstverständlich auch auf Datensammlungen, aber sind in einer Landkarte darstellbar. Prominentestes Beispiel für ein Register ist der Kohlendioxid-Emissionshandel innerhalb der EU. Dafür wird in der DEHST (Deutsche Emissionshandelsstelle) mit zirka 100 Mitarbeitern, die im Umweltbundesamt (UBA) ansässig sind, ein Register geführt. An Hand der registrierten Akteure wären die Emissionen immer räumlich darstellbar. Schließlich stehen für jeden Anlagenbetreiber Emissionen an einem konkreten Standort.

Das nationale Treibhausgasinventar wird im Fachgebiet I 4.6 (Abteilung Klimaschutz und Energie, Fachgebiet Emissionssituation) des UBA mit zirka 10 Mitarbeitern erarbeitet. Es stellt die nationale Koordinierungsstelle dar und ist gleichzeitig Berichterstatter an das Sekretariat der Klimarahmenkonvention. Die Vorgaben und Pflichten entstammen Regelungen, die in Leitfäden und anderen Papieren internationaler Verhandlungen festgelegt wurden. In den einheitlich anzuwendenden Vorgaben geht es nicht um Minderungspflichten, sondern um die korrekte Inventarisierung, also vor allem um die Methoden der Emissionsberechnung.

Das Messen und Zählen der Emissionen

Die Umweltrelevanz von Schadstoffen ist sehr unterschiedlich. Für jede wesentliche Schadwirkung ist eine separate Betrachtung notwendig – beispielsweise für Versauerung und Klimaschädlichkeit. Aktuell steht jedoch die Klimaschädlichkeit im besonderen politischen Fokus, weil sie eine globale Bedrohung und Herausforderung darstellt.

Im Jahr 2004 war die Freisetzung von Kohlendioxid aus den Prozessen der stationären und mobilen Verbrennung mit einem Anteil von 86,9 Prozent Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Durch den überdurchschnittlichen Rückgang der Emissionen der anderen Treibhausgase ist der Anteil der Kohlendioxidemissionen an den Gesamtemissionen seit dem Basisjahr um relativ 3,5 Prozent gestiegen. Die durch Tierhaltung, Brennstoffverteilung und Deponieemissionen verursachten Methanemissionen haben einen Anteil von 5,0 Prozent. Lachgasemissionen werden hauptsächlich durch die Landwirtschaft, Industrieprozesse und den Verkehr verursacht und tragen zu 6,3 Prozent zu den Treibhausgasfreisetzungen bei. Mit einem Anteil von 1,4 Prozent tragen die F-Gase zur Gesamtemission bei.

Die reinen Zahlenwerte zur Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre, die für das nationale Treibhausgasinventar gemessen werden können, sind für sich alleine, hinsichtlich der Klimarelevanz nicht aussagekräftig und zudem unvollständig. Schon alleine aus dem Grunde, weil die unterschiedlichen Treibhausgase auch unterschiedlich treibhausaktiv sind. Die Berücksichtigung erfolgt über so genannte Kohlendioxidäquivalente (siehe folgende Tabelle). Das heißt, dass die Treibhausgaswirksamkeit für andere Gase außer Kohlendioxid in der Regel höher liegt. Für die vergleichende Berücksichtigung der Emissionen wird Methan mit dem Faktor 21 und Lachgas mit dem Faktor 310 multipliziert, bezogen auf die Angaben in emittierten Massen. Der bedeutendste Klimafaktor Wasserdampf wird nicht inventarisiert.

Wie oben angedeutet liegen selten direkt Informationen zu Emissionen vor – also ist eine Berechnung nach dem Prinzip

Aktivitätsrate X Emissionsfaktor = Emission

notwendig. Zudem ist der Zugriff auf geeignete Berechnungsgrößen nicht immer möglich, weshalb diese modelliert werden müssen. Beispielhaft sind detaillierte Brennstoffeinsätze in kleinen und privaten Feuerungsstätten keiner lückenlosen Statistik zu entnehmen, sondern werden jährlich hergeleitet. Zur Berechnung der Emission gilt der jeweils aktuellste IPCC Kenntnisstand, nicht der vermeintlich aktuellste Forschungsstand. Top- und Flop-Meldungen wie die zu Permafrostböden oder Methan aus Pflanzen finden keine Berücksichtigung in den Inventaren, wenn nicht von IPCC die Anleitungen erweitert und von den Teilnehmern der Klimarahmenkonvention beschlossen werden.

Treibhausgas chem. Formel Äquivalentfaktor
natürliche
Kohlendioxid   CO2 1  
Methan   CH4 21  
Stickstoffoxid   N2O 310  
synthetische (so genannte F-Gase)
HFC-125   C2HF5 2800  
HFC-236fa   C3H2F6 6300  
Perfluoromethan   CF4 6500  
Perfluorocyclobutan   c-C4F8 8700  
Perfluoroethan   C2F6 9200  
HFC-23   CHF3 11 700  
Schwefelhexafluorid   SF6 23 900  

Äquivalentfaktoren ausgewählter Treibhausgase, (Quelle: FCCC/CP/2002/8 sowie NIR 2006)

Das Maß für die anthropogenen, also den aus Menschenhand erzeugten Ursachen der Emission ist sektoral gegliedert. Die sektorale Gliederung unter der Klimarahmenkonvention ist sehr detailliert und schließt auch die sogenannten Senken ein. Ein Beispiel für eine tiefe Gliederung sind die Emissionen aus dem Brennstoffeinsatz in Feuerungsanlagen zur Stromerzeugung im industriellen Bereich, zumal die Brennstoffe zusätzlich gegliedert werden müssen. Die Kombination dieser Sektorengliederung mit der Gliederung der Primärdaten unter Beachtung wichtiger Randbedingungen oder Restriktionen führt zu einer immensen Anzahl von Datensätzen. Alle Datensätze werden in Zeitreihen geführt, die dem Sekretariat der Klimarahmenkonvention seit dem Basisjahr vollständig vorliegen und gepflegt werden müssen.

Inventare sind keine Erbsenzählerei

Anerkannte Treibhausgasinventare sind eine der Grundvoraussetzungen zur Erfüllung des Kiotoprotokolls und damit auch der Rahmen für den darin eingebundenen Emissionshandel. Bemühungen um Harmonisierungen und die Zusammenführung von Sachverstand führen zu Erkenntnissen und Rückkopplungen. Als Beispiel sei die Rauchgasentschwefelung angeführt, die zu inventarrelevanten Kohlendioxidemissionen führt, welche aus dem Einsatz an Kalkstein und der prozessnotwendigen Energie herrühren. Ein anderes Beispiel sind die so genannten flexiblen Mechanismen des Kiotoprotokolls, die einerseits zunehmend an politischer Bedeutung gewinnen, aber andererseits um daran teilnehmen zu können die Inventare Voraussetzung sind.

Inventare sind die einzige Möglichkeit zur Kontrolle von Verpflichtungen. Die Kontrolle der Umweltwirkungen ist für die Bewertung der Verpflichtungen nötig. Wenn beispielsweise die Erderwärmung trotz Einhaltung der Ziele laut Inventaren zunimmt, war die vereinbarte Minderung zu gering und die Verpflichtung kann der entstandenen Situation angepasst werden.


Robert Kludt
Umweltbundesamt


Anmerkungen

Der hier vorliegende Artikel entspricht dem Skript eines Vortrags des Autoren vom 5. Mai 2006, zudem der Landesverein der UmweltberaterInnen in Berlin und Brandenburg (LAUB e.V.) geladen hatte.

Literaturverweis: Nationaler Inventarbericht zum deutschen Treibhausgasinventar 1990 -2004, Umweltbundesamt, Dessau im Mai 2006; siehe:
http://www.umweltbundesamt.de/emissionen/publikationen.htm.

Die Datenbank der verwendeten Emissionsfaktoren kann eingesehen werden unter:
http://geref.uba.de/mesap/pages/geref/home.aspx.

*) UNFCCC: United Nation Framework on Climate Change Convention = Rahmenabkommen über Klimaänderungen, kurz Klimarahmenkonvention.

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     Die Redaktion Umwelt, am 14. August 2006 – ugii Homepages –