Umweltpanorama Heft 8 (Mai 2005) zur Liste | home

Die Eutrophierung der Gewässer

Als am 1. September 2002 ein Spaziergänger in der Soeste tote Fische bemerkte und der örtlichen Polizeidienststelle meldete war die Dimension der Sache noch nicht absehbar. Schon am Tag danach lagen Tausende toter Fische in dem Fluss südlich von Oldenburg im Landkreis Cloppenburg. Mit den Tagen wurden verendete Aale, Brachsen, Hechte, Weißfische und Zander tonnenweise an Land befördert und zur Fleischmehlfabrikation gebracht.

Messungen hatten katastrophale, das heißt minimale Sauerstoffwerte in den Gewässern angezeigt, die sich erst eine Woche später zu erholen schienen. Das große Fischsterben, das sich bis nach Ostfriesland fortsetzte, wurde ursächlich durch eine gülleähnliche Flüssigkeit, das Gärsubstrat einer Biogasanlage hervorgerufen. Dem Betreiber war ein Rohr gebrochen, worauf sich ein Behälter mit einem Volumen von 2270 Kubikmeter in die Umgebung ergoss. Die flüssigen Tierexkremente, die mit gehäckseltem Mais und Grünzeug Biogas entwickeln, zehren den Sauerstoff in den Gewässern auf. Die Fische ersticken.

Das was den Friesländern in katastrophalem Maße wiederfuhr ist in kleinerer Dimension überall Tagesgeschehen. Manche Ereignisse spiegeln sich noch durch Badeverbote wider und was nicht in der Tagespresse steht kann gesehen oder sogar gespürt werden. Ein Pflanzenteppich auf dem See oder die Algenblüte, erkenntlich an der grünen oder bräunlichen Trübung des Wassers, bis hin zu allergischen Reaktionen bei Badenden durch Algentoxine. All dies sind, meist nur zu bestimmten Jahreszeiten, Zeichen einer Wohlgenährtheit (griech. eutrophia) des Gewässers.

Wie kommt es dazu?

In chemisch reinem Wasser kann kein Lebewesen existieren. Damit Pflanzen wachsen können, wodurch auch andere Lebewesen eine Lebensgrundlage haben, muss das Wasser neben Kohlendioxid ein Mindestmaß an gelösten Mineralstoffen enthalten; das sind vor allem Phosphor-, Stickstoff- und Kaliumverbindungen. Sie sind die wichtigsten Pflanzennährstoffe und deshalb auch die wirksamen Bestandteile von Dünger aller Art. Der Gehalt an Mineralstoffen ist demnach ein Maß für das Leben im Wasser. So unterscheidet man auch grob drei Gewässertypen: oligo-, meso- und eutrophe Gewässer.

Als oligotroph wird ein nährstoffarmes Gewässer bezeichnet. Zu diesem Gewässertyp gehören Gletscher- und Gebirgsseen, die Oberläufe der meisten Gebirgsbäche oder beispielsweise viele Seen in Skandinavien. Die meisten oberbayerischen Seen haben einen mittlerer Nährstoffgehalt und sind dementsprechend mesotroph. Gewässer, die reich über Nährstoffe verfügen werden als eutroph bezeichnet. Unter diesen Typ fallen die mitteleuropäischen meist stehenden Gewässer.

Natürlich eutrophe Gewässer

Typisch für einen eutrophen See ist das Plankton (griech.: Umhertreibendes). Darunter versteht man frei im Wasser schwebende, meist mikroskopisch kleine pflanzliche oder tierische Organismen. Zu ersteren, dem Phytoplankton gehören unter anderem einzellige Algen (meist Blau- und Grünalgen) und zu letzteren, dem Zooplankton, werden Wasserflöhe, Mantel- und Rädertierchen aber auch kleine Krebse und Larven gezählt.

Das Phytoplankton wird durch Photosynthese aus den organischen und mineralischen Bestandteilen des Wassers aufgebaut. Dabei dient das Phytoplankton als Nahrung für das Zooplankton, das seinerseits in der Nahrungskette von den Fischen als Nahrungsquelle genutzt wird.

Mit steigender Eutrophierung nimmt der Bestand an Lebewesen, das heißt die Artenvielfalt zu. Mit ihnen steigt aber auch der Bedarf an wassergelöstem Sauerstoff. Wenn das Wassers nicht ständig mit Luft durchmischt wird, ist er von den Wassertieren und -pflanzen bald aufgezehrt.

In einem eutrophen Gewässer treten Pflanzen in Konkurrenzkampf um Licht und Platz. Die massenhafte Vermehrung von Algen trübt das Gewässer. Aus Lichtmangel sterben tiefer stehende Pflanzenteile und tiefer schwebende Algen ab. Im Herbst kommt das Laub der Uferbäume und das Absterben von Schilfhalmen, Schwimmblättern und anderen Wasserpflanzenteilen dazu.

Dies droht vor allem am Grund von eutrophen Seen im Winter bei Eisbedeckung und zeitweilig auch im Sommer, wenn eine leichtere, lichtdurchstrahlte und damit erwärmte Wasserschicht (Epilimnion) auf unbelichtetem, kühlem und damit schwerem Tiefwasser (Hypolimnion) schwimmt. In dieser Zeit kommt kein sauerstoffreiches Oberflächenwasser zum Grund.

Durch das vermehrte Absterben von Pflanzen wird zunächst übermäßig viel Sauerstoff verbraucht. Fällt der Sauerstoffgehalt des Wassers unter ein bestimmtes Mindestmaß, hört der Abbau organischer Verunreinigungen durch aerobe, also sauerstoffverarbeitende Bakterien auf.

Anaeroben Bakterien gewinnen jetzt die Oberhand. Sie brauchen für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff und Nahrung gibt es im Überfluss. Die tote, abzubauende Biomasse (Detritus), die den ursprünglichen Hartboden oder Sandboden überdeckt und so bestimmten Tieren die Besiedlung erschwert oder unmöglich macht schwillt an. Die am Boden lebenden Tierchen und Wasserpflanzen ersticken im Faulschlamm (Sapropel).

Obendrein setzt die Fäulnistätigkeit (Gärung) dieser Bakterien Giftstoffe, wie Schwefelwasserstoff, Ammoniak oder Methan frei. Die Anzahl der im Wasser lebenden Arten verringert sich noch weiter. Was an höheren Lebewesen, wie Fische nicht erstickt, wird vergiftet.

Das Fischsterben ist aber nur die auffälligste Begleiterscheinung solcher Sauerstoffnot und Fäulnis, wenn das Gewässer umzukippen droht. Unter Umkippen wird der Verlust der biologischen Selbstreinigung eines Gewässers verstanden (hypertrophes Gewässer). Vor allem in Zeiten, wenn kein sauerstoffreiches Oberflächenwasser zum Grund kommt ist der See biologisch tot.

Eutrophierung an sich bedeutet aber noch lange nicht Absterben allen Lebens im See. Die Mehrzahl eutropher Seen befinden sich in einem biologischen Gleichgewicht. Eutrophierung ist nämlich ein Prozess, der in fast jedem See, auch in einer vom Menschen unbelasteten Umwelt in Erscheinung tritt. Natürliche Eutrophierung spielt sich aber in Zeiträumen von Tausenden von Jahren ab und ist ein erster Schritt einer Sukzession:

eutropher See –> Verlandung –> Niederungsmoor –> Hochmoor

Demgegenüber läuft Eutrophierung durch menschliches Zutun (anthropogener Einfluss) in nur wenigen Jahrzehnten ab; in einem solchen Zeitraum ist an eine Sukzession nicht zu denken.

Künstliche Eutrophierung

In dicht besiedelten oder landwirtschaftlich intensiv genutzten Regionen nimmt die Eutrophierung rasch zu. Mit dem häuslichen Abwasser werden unter anderem Rückstände von Wasch- und Reinigungsmitteln oder Fäkalien in die Gewässer eingetragen und durch Abschwemmungen des Düngers landwirtschaftlicher Flächen können große Mengen Nährstoffe, wie der schon erwähnte Stickstoff aus Nitraten und Ammoniumverbindungen sowie Phosphor aus Phosphaten, in die Gewässer gelangen und gemeinsam mit natürlichen Nährstoffen (beispielsweise Laubfall) das Wachstum der Wasserpflanzen beschleunigen. Andere Verschiebungen des natürlichen Gleichgewichtes eines Gewässers wäre beispielsweise das Aussetzen zu großer Mengen von Weißfischen, die in einem nährstoffreichen See das tierische Plankton zu stark dezimieren, woraufhin sich Algen (pflanzliches Plankton) zu stark vermehren.

Will man die Eutrophierung und ihre negative Wirkung auf den Sauerstoffhaushalt eines Gewässers bekämpfen, muss vor allem eine Verringerung der Phosphorbelastung erzielt werden. Unter natürlichen Verhältnissen ist Phosphor der Nährstoff, der als limitierender Faktor auf das pflanzliche Wasserleben wirkt. Wird das Phosphorangebot begrenzt, können die stickstoffhaltigen Nährstoffe nicht von den Pflanzen verwendet werden, selbst wenn sie in großer Menge vorhanden sind.

Maßnahmen, um die Eutrophierung zu verhindern oder bereits überdüngte Gewässer in einen niedrigeren Trophiezustand zurückzuführen sind schon längere Zeit bekannt. Umweltverträgliche Varianten sind vieler Orts angewandt:

  • Entfernung von Faulschlamm vom Gewässerboden durch Ausbaggerung
  • Abernten von Algen, also die erste Stufe der Nahrungskette
  • Weitläufige Verteilung von Abwässern durch Ringkanalisation
  • Gründliche Behandlung der Abwässer durch biologische Phosphatelimination
  • Phosphatersatzstoffe in Waschmitteln
  • ökologische Landwirtschaft

Während seit etwa 20 Jahren der Nährstoffeintrag aus dem Abwasser durch aufwendigere Klärtechnik erheblich reduziert werden konnte, befindet sich der Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft weiterhin auf hohem Niveau.

Nach einer Verringerung der Nährstoffeinträge reagieren Seen nur sehr langsam auf die verbesserte Nährstoffsituation, da Nährstoffe im Boden gespeichert und später wieder freigesetzt werden können.

Ein Regelwerk zum Gewässerschutz ist seit Dezember 2000 mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in Kraft getreten, von der alle Oberflächengewässer (Binnen-, Übergangs- und Küstengewässer) und das Grundwasser in der Europäischen Union betroffen sind.

Ziel dieses Regelwerks ist, dass bis zum Jahr 2015 alle Gewässer durch geeignete Maßnahmen einen „guten Zustand“ erreichen sollen. Unter einem guten Zustand versteht man, gemäß der besagten Richtlinie, dass das Vorkommen der gewässertypischen Organismen, wie Fische, Wasserpflanzen, Algen und die Fauna der Gewässersole vom natürlichem Zustand nur geringfügig abweicht. Nach diesjährigen Schätzungen der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) in Schwerin werden nur etwa ein Drittel der Brandenburger Gewässer dieses hehre Ziel erreichen. Im Bundesdurchschnitt werden es etwa 40 Prozent sein.

Die meisten der relativ jungen Seen der Mark Brandenburg, sie haben sich im Zuge der letzten Eiszeit gebildet, waren und sind zum Teil immer noch stark eutroph und auch ein Großteil der Fließgewässer weicht von seinem natürlichen Zustand weit ab. Zu letzteren gehören insbesondere die Schwarze Elster, die Nuthe sowie Neiße und Oder.

Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin

Unter Naturschutz wird oft die Bewahrung des Ist-Zustands eines kleinen Naturgebietes verstanden. Doch dieser Schein trügt. Ein Beispiel, wie sich die natürliche Dynamik der Ökosysteme und anderweitige Nutzung verbinden lassen, ist das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin im Nord-Osten Brandenburgs. Seen verschiedenen Typs und Nährstoffgehalts wechseln mit stillen Wäldern, ausgedehnten Niedermooren, Sanddünen, Sölle (Kleingewässer ohne Zu- und Abfluss) und landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Nicht nur Fauna und Flora erlebten in dieser Region einen immensen Wandel, auch deren Seen scheinen wieder das zu werden, was sie früher einmal waren.

Der Grimnitzsee liegt am Ostrand der Schorfheide bei Joachimstal. Bis in die 1980er Jahre verschlechterte sich die ursprüngliche Wasserbeschaffenheit erheblich. Intensive Fischereiwirtschaft, Abwassereinleitung und eine Entenintensivmast am Nordufer trugen maßgeblich dazu bei. Seit dem Jahre 1995 ist eine Abwasserkläranlage mit Phosphoreliminierung in Betrieb und die intensive Entenmastmast wurde Ende der 1970er Jahre eingestellt. Seit den 1990er Jahren ist eine Positiventwicklung seiner Trophie beobachtbar. Bis heute ging die extreme Eutrophierung der 1960/70er Jahre so weit zurück, dass der Grimnitzsee sich in Richtung seiner natürlichen schwachen Eutrophie hin entwickelt. Doch aus dem Blickwinkel von Fischern, taugt er nur noch als Karpfengewässer. Aal, Hecht und Zander haben noch immer schlechte Überlebenschancen.

Nach Süden entwässert der Grimnitzsee in den Werbellinsee, der mit seinen 51 Metern zu den tiefsten Seen Brandenburgs gehört. Er ist stabil geschichtet und selbst zum Sommerende hin ist selbst im Tiefwasser keine vollständige Sauerstoffzehrung beobachtbar. Im Frühjahr und Herbst ist der See sogar ungetrübt. Gegenwärtig weist der Werbellinsee mesotrope Verhältnisse auf, die ihn dadurch von seinem natürlichen oligotrophen Zustand noch unterscheidet. Die trophische Last erhält der See aus dem eutrophen Grimnitzsee, sowie aus Abwassereinleitungen und dem Bootsverkehr.

Von den beiden Seen im Landkreis Uckermark des Biosphärenreservats weist der rundum bewaldete Großdöllner See einen eutrophen mit Tendenz zum mesotrophen Zustand, durch die Abnahme der Phosphorkonzentration seit den frühen 1990er Jahre, auf. Mit seinen knapp sechs Quadratkilometern gehört der Oberückersee zu den größten Seen im Gebiet der Schorfheide-Chorin. Wies er zu Anfang der 1990er Jahre noch schwach eutrophe Verhältnisse auf, befand er sich ab 2001 in einem mesotrophen Zustand.

Der Parsteiner See im Landkreis Barnim, weist mehrere Teilbecken auf, ist in den Sommermonaten, mit einem sauerstofffreien Tiefwasser, teilweise geschichtet. Als natürliche Trophie des Sees kann ein oligo- bis mesotropher Zusatand angenommen werden. Zum Nordbecken hin wird der See noch heute zusehends eutroph, möglicherweise verursacht durch die dort intensiv betriebene Landwirtschaft, im Gegensatz zur extensiven Landwirtschaft an der Südseite des Sees. Die ehemalig erhebliche Eutrophierung widerspiegelt sich noch heute in der Phosphatfreisetzung aus dem Sediment während mancher Sommermonate.

Schluss

Wie sich aus alledem erahnen lässt, hat auch die Biogasproduktion im eingangs erwähnten Südoldenburg mit dem Fischsterben in der Soeste seinen Grund in einer veränderten landwirtschaftlichen Nutzung.

Da die Bodenqualität in dieser Region für gute Erträge nicht ausreicht, sind die landwirtschaftlichen Betriebe vorwiegend zur Viehhaltung angehalten. Im großem Stile war das aber erst möglich, seitdem zusätzliche Futtermittel über die Nordseehäfen importiert werden, was zu einem Überschuss an Gülle aus der intensiven Tierproduktion führt.

Die agroindustriellen Großstrukturen mit einer Tieranzahl im zweistelleigen Millionenbereich produzierten entsprechend überdurchschnittlich hohe Mengen an Fäkalien, die naturgemäß einen hohen Phosphatgehalt aufweisen. Die damit einhergehende Überdüngung der Maisfelder (Mais ist gegen Überdüngung relativ unempfindlich) machte eine stete Vertiefung der Grundwasserbrunnen notwendig, um einigermaßen sauberes Trinkwasser zu gewährleisten. Als Alternative bot sich die Entsorgung der Gülle in Biogasanlagen an. Alleine im Kreis Cloppenburg erzeugen 50 Anlagen Biogas.

 

Dr. Heinz Wohlgemuth

Berliner Umweltagentur


     Die Redaktion Umwelt, am 17. Mai 2005 – ugii Homepages –