Umweltpanorama Heft 7 (Februar 2005) zur Liste | home

Scherben bringen Glas

Über 30 Jahre erfolgreiches Glasrecycling in Deutschland

Die Verbraucher sind es, die leere Einwegflaschen, Konservengläser, Parfümflakons und andere Glasverpackungen nach Farben getrennt zum Container bringen. Die gute Sammelstruktur und das umweltbewusste Handeln der Bundesbürger garantieren seit mehr als 30 Jahren in Deutschland einen gut organisierten Materialkreislauf bei Glasverpackungen. Allein in Berlin wurden 2003 insgesamt mehr als 74 000 Tonnen Altglas gesammelt. Bundesweit erreichte die Recyclingquote von 87,7 Prozent nach dem Rekordjahr 2002 (89,7 Prozent) wieder ein bemerkenswertes Ergebnis; das heißt, von den 3,07 Millionen Tonnen Behälterglas, die 2003 in Deutschland verkauft worden sind, wurden 2,69 Millionen wieder zu neuen Glasverpackungen verarbeitet. Lediglich 78 000 Tonnen Altglas gingen in die alternative Verwertung. Sie wurden beispielsweise zu Glaswolle oder als Baustoff verwendet. Vorraussetzung für den Erfolg des Glasrecyclings ist, dass das Altglas richtig getrennt und gesammelt wird.

Sortierung

„Glasrecycling ist kein Downcycling. Es garantiert einen wahren Materialkreislauf auf gleicher Wertstufe“ erläutert Wolfgang Brauck, Geschäftsführer der Gesellschaft für Glasrecycling und Abfallvermeidung mbH (GGA ) in Ravensburg. Das heißt, Altglas ist der wichtigste Rohstoff für neue Glasverpackungen, da es sich ohne Qualitätsverlust beliebig oft wieder einschmelzen und verarbeiten lässt und es enthält keine Stoffe, die nach außen treten und Mensch und Umwelt gefährden können. Der Scherbenanteil an der Produktion von Behälterglas beträgt heute 60 Prozent. Hinzu kommen 5 Prozent aus Produktionsabfällen der Glasindustrie.

Glas wird aus natürlichen Rohstoffen hergestellt. Die Verwendung von Altglas bewahrt deshalb natürliche mineralische Rohstoffe. Die Verwendung von einer Tonne Altglas ersetzt etwa 700 Kilogramm Quarzsand, 190 Kilogramm Soda, 150 Kilogramm Kalkstein, 80 Kilogramm Dolomitstein und 50 Kilogramm Feldspat. Insgesamt wurden so seit Einführung des Glasrecyclings 1973 viele Millionen Tonnen Rohstoffe eingespart. Mit anderen Worten: Heute können aus einem Kilogramm Primärrohstoffe zehn Glasflaschen produziert werden; im Jahre 1955 waren es hingegen nur zwei. Und so ganz nebenbei werden Landschaften durch Steinbrüche und Sandgruben nicht mehr verödet und blieben der Tier- und Pflanzenwelt im wahrsten Sinnen des Wortes erspart.

Auch energetisch lohnt sich die Wiederverwendung von Altglas. Die Behälterglasindustrie spart heute mittels Glasrecycling etwa 20 Prozent der Schmelzenergie. In Zahlen bedeutet das: Ein Kilogramm Glasscherben für die Neuproduktion ersetzt die Brenndauer einer 60-Watt-Glühlampe von fünf Stunden. Diese Einsparung summiert sich pro Jahr auf mehrere hunderttausend Tonnen Öl und hundert Millionen Kubikmeter Erdgas oder - anders ausgedrückt - auf knapp eine Million Tonnen weniger Kohlendioxid.

Granulat für die Glashütte

Struktur, Technologie und Möglichkeiten des Glasrecyclings haben sich in den letzten 30 Jahren grundlegend verändert.

Modernes Altglasrecycling beginnt damit, dass Fahrzeuge, auf deren Ladeflächen sich drei Ladekammern für jede Glasfarbe (weiß, grün und braun) befinden, die Altglascontainer entleeren.

Per Hand werden in der Regel nur noch grobe Verunreinigungen, wie ganze Keramik- oder Plastikflaschen, Mülltüten, Metalldosen oder sonstige Fremdstoffe aussortiert. Vor der dann folgenden automatischen Sortieranlage werden die Scherben noch auf geringe Korngrößen zerkleinert.

So genannte Überbandmagnete sortieren alle eisenmetallhaltigen Verunreinigungen aus. Luftabsaug-Geräte erfassen alle leichten flächenhaften Teile wie Papier von Etiketten, Kunststoff- und Alufolien, Kapselverschlüsse und Verschlussringe.

Moderne Präzisionsgeräte kontrollieren die Qualität der Glasscherben, sorgen für die Farbnachsortierung, auch Fehlfarben können gezielt detektiert werden, und befreien das Altglas von den noch verbliebenen Fremdstoffen. Das Ausscheiden dieser Teile erfolgt optomechanisch. Ein Kamerasystem, Multicolor-Laserstrahlen und andere Detektoren verfolgen den Materialstrom. Anhand der Helligkeiten und Reflexionen kann blitzschnell entschieden werden was ein Fremdkörper ist und was nicht. Mikroelektronisch gesteuerte Luftdüsen sortieren dann (fast) alles aus, was in dem Sekundärrohstoff nichts zu suchen hat.

Kreislauf

Kreislauf Einweg- und Mehrweg-Glasbehälter

Die Aufgabe der Anlage ist es, aus dem gesammelten Altglas ein Glasgranulat zu machen, das die Glashütten als reinen und unverfälschten Sekundärrohstoff zur Produktion neuer Glasbehälter verwenden können. Die wesentlichen Störstoffe sind dabei Keramik, Stein, Porzellan und Metalle. Sie können bei der Glasherstellung in der rund 1600 Grad Celsius heißen Glasschmelze nicht aufgeschmolzen werden, verursachen Einschlüsse und somit Ausschuss bei der Glasproduktion.

Die Vorsortierung
Brandenburg weit vor Berlin

Trotz der High-Tech-Anlage bleibt es immer noch wichtig, dass Altglas sorgfältig nach Farben getrennt und frei von Fremdstoffen gesammelt wird, denn alle technischen Geräte haben ihre Grenzen. Insbesondere Mischglas ( = Weiß- und Buntglas) und Buntglas ( = grünes, braunes und andersfarbiges Glas) sind für die Behälterglashersteller ein Problem. Eine Trennung ist langwierig und unvollständig. Nur ein kleiner Teil kann wieder zu neuen Glasverpackungen eingeschmolzen werden.

Wie sortiere ich richtig

Kommen nur Flaschen in die Altglascontainer?

  • Nein! Auch kleinere Glasbehälter, z.B. für Babynahrung, Senf, Yoghurts, Flakons etc. gehören in die Container.

Was soll nicht in die Container?

  • Steingutflaschen, Metall, Keramik oder Porzellan. Diese Fremdstoffe können in den Aufbereitungsanlagen nur schwer vom Altglas getrennt werden, da sie nicht aufgeschmolzen werden. So bilden sie in neuen Glasbehältern Einschüsse, die die Qualität beeinflussen.

Darf jedes Glas in die Container?

  • Nein! Fensterglas, Glühlampen, Kristallglas, Neonröhren oder feuerfestes Glas haben unterschiedliche Schmelzpunkte und Materialzusammensetzungen und sind somit für Behälterglas nicht verwendbar.

Wo entsorge ich blaue und andersfarbige Gläser?

  • Da grünes Glas am ehesten geringe Fehlfarbenanteile verträgt, kommt dieses bunte Glas in den Grünglascontainer.

Die entscheidende Rolle, ob Altglas nach drei Farben getrennt gesammelt und abgeholt wird oder ob alles in eine Tonne kommt, spielen dabei die Kommunen.

Alle Brandenburger Kreise rund um Berlin sammeln nach drei Farben getrennt. Dem steht Berlin mit 29 000 Tonnen Buntglas für das Jahr 2003 arm gegenüber. Damit lag der Anteil des Buntglases in Berlin mit 39 Prozent auch noch weit über dem Bundesdurchschnitt von 7 Prozent.

Das dieses Berliner Glas überhaupt noch recycelt wird verdankt es seinem Umland, mit dessen Glas es vermengt wird. „Nur das Berliner Glas alleine würden wir auf Dauer nicht mehr abnehmen“, bestätigt Stefan List von der ALBA Glas-Recycling GmbH, Velten, in deren Anlagen das Berliner Glas aufbereitet wird.

Die strukturellen Mängel des Berliner Sammelsystems liegen in den rund 93 000 Hinterhof-Tonnen, bei denen Grün- und Braunglas nicht getrennt werden. Die 5000 Drei-Farb-Container, die „Iglus“, können das nicht wett machen.

Daher werden in Berlin seit Mitte 2004 verstärkte Anstrengungen unternommen, um die Qualität des gesammelten Altglases zu verbessern. Unter dem Motto „Berlin sammelt“ (www.berlin-sammelt.de) startete daher das für die Öffentlichkeitsarbeit der Abfallentsorgung zuständige „Team Grüner Punkt“ eine breit angelegte Informationskampagne. Kostenfreie Faltblätter, Hausflurplakate und andere Informationsmaterialien erläutern Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen. Ob mit dieser Aktion alle Berliner erreicht werden, liegt auch in der Hand des Senats und der Bezirksverwaltungen.

Bleibt zu hoffen, dass sich einige Stadtbezirke dazu entschließen, dreifarbgetrennt zu sammeln. Die dabei anfallende Menge Weißglas wird von den Glasherstellern dringend benötigt, denn bundesweit herrscht daran ein Mangel.

Gerd Johannsen

salaction public relations GmbH,
Hamburg


     Die Redaktion Umwelt, am 14. Februar 2005 – ugii Homepages –