Umweltpanorama Heft 5 (August 2004) zur Liste | home

Sommersmog

Wenn's in Berlin mal trocken, warm und wolkenlos ist und dazu auch kaum ein Lüftlein weht, zieht es seine Bewohner in die Parks und Freibäder. Sommer in der Großstadt – das kann kein Auge trüben. Oder doch? An manch solchen Tagen kehren einige frühzeitiger nach hause, gereizt durch Atem und Auge.

Diese Tage sind durch eine Inversionswetterlage gezeichnet, die all die Autoabgase wie unter einem Deckel festhält – manchmal sogar tagelang, so dass die Luft trüb wird. Ein trockener Dunst, der die Sonne trübt und schon in den 1940ern als Los Angeles Smog bekannt wurde.

In Los Angeles und Umgebung – ein Siedlungsgebiet in den USA mit 10 Millionen Einwohnern – kommen Inversionswetterlagen wegen seiner Kessellage besonders häufig vor. Die Berge bilden die Barrieren, vom Pazifischen Ozean her lagern sich kühle Luftmassen etwa bis zur Höhe des umrandenden Gebirges und die im Tale liegende wärmere Luft kann nicht ausweichen. Eine Sperrschicht (Inversionsschicht) bildet einen „meteorologischen Deckel“ zwischen der warmen und kalten Luft und die Sonne Kaliforniens ist die Lichtquelle in diesem „photochemischen Reaktor“.

Heute wird jener Smog der sich dabei bildet Sommersmog genannt und ist wegen des rapide zugenommenen Autoverkehrs in nahezu jeder Großstadt beobachtbar.

Smog – zusammengesetzt aus „smoke“ und „fog“ (Rauch und Nebel) – steht ganz allgemein für Luftbelastungen, egal ob im Sommer oder Winter. Der bekanntere Smog wird durch Schwefeloxide und Staub verursacht, tritt besonders während der Heizperiode auf und wird deswegen Wintersmog genannt. Diese Art ließ die Sterblichkeit in der Bevölkerung während einer schweren Smogepisode im Dezember 1952 in London um das doppelte ansteigen. Die auch als London Smog bezeichnete Luftverschmutzung hat heute für Berlin praktisch keine Bedeutung mehr.

Anders der Sommersmog. Damit er sich bilden kann, müssen – neben Inversionswetterlage und Sonneneinstrahlung – aus chemischer Sicht gleichzeitig Kohlenwasserstoffe und Stickoxide in der Luft vorhanden sein. Lieferant für diese Stoffe sind heute praktisch nur noch Autos, die zu Tausenden täglich in der Stadt verkehren. Der Anteil dieser Luftschadstoffe ist folglich morgens zur Stoßverkehrszeit am größten. Das dieser Anteil nachmittags zur Stoßverkehrszeit nicht mehr so groß ist, liegt an den oxidierenden Luftkomponenten, die sich in der Zwischenzeit gebildet haben und die auch für die Reizung der Augen und Atemwege verantwortlich sind.

Jene oxidierenden Luftkomponenten sind so genannte Photooxidantien, da sie nur unter der Einwirkung des Sonnenlichts entstehen. Die Trägersubstanz ist das Ozon, das etwa drei Viertel der Photooxidantien ausmacht. Weitere Sommersmogkomponenten wären beispielsweise Aldehyde oder Peroxonitrate.

Ozon ist also die Leitsubstanz, das heißt der Indikator für Sommersmog. Was ist Ozon?

Ozon ist ein natürlicher Bestandteil unserer Lufthülle. Rund 90 Prozent von diesem Gas befinden sich in der Stratosphäre, dem ersten Stockwerk unserer Atmosphäre und die restlichen 10 Prozent im bodennahen Bereich, der Troposphäre. Das Ozon, das in der Stratosphäre, in etwa 30 Kilometer Höhe angesiedelt ist, hat praktisch nichts mit Sommersmog zu tun. Es filtert unter anderem die ultraviolette Strahlung der Sonne und ist bezüglich des Umweltschutzes mit Begriffen wie Ozonloch und Treibhauseffekt assoziiert.

Das Ozon in jenem Teil der Atmosphäre in der wir atmen, also in der Troposphäre, ist wie erwähnt, schon immer Teil der Lufthülle gewesen. Jedoch nimmt dessen Anteil seit den ersten verlässlichen Messungen stetig zu. Um das Jahr 1880 lag dessen Konzentration noch bei einem10 Billionstel Anteil, der dann, wohl durch die Industrialisierung, bis zum Jahre 1990 auf bis zu 50 Billionstel Anteile in den bodennahen Luftschichten angewachsen ist. Gegenwärtig liegt im Jahresmittel die Ozonkonzentration in Deutschland bei 46 Billionstel Anteile.

Ein gewisser Anteil an Ozon in der Troposphäre ist wichtig, weil Ozon selbst und einige seiner Abbauprodukte zur Reinigung der Luft beitragen, egal ob die Luftschadstoffe natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind. Deswegen wird vor allem eines seiner Abbauprodukte, das Hydroxydradikal, als Waschmaschine der Atmosphäre bezeichnet.

Wie ist es aber nun mit dem Sommersmog, wenn Ozon durch Luftschadstoffe gebildet wird, es selbst aber wieder die gleichen Luftschadstoffe abbaut.

Ozon wird durch eine komplizierte Verkettung atmosphärisch-chemischer Reaktionen aus den in der Luft gelösten Kohlenwasserstoffen und Stickoxiden, in Verbindung mit dem Luftsauerstoff unter der Einwirkung von Licht gebildet.

Das entstandene Ozonmolekül mit seinen drei Sauerstoffatomen ist aber sehr instabil. Es möchte wieder eins davon abgeben um zum stabilen zweiatomigen Luftsauerstoffmolekül zurück zu gelangen.

Trifft nun das Ozonmolekül auf ein Kohlenwasserstoffmolekül, oder auf eine beliebige andere Stoffkomponente, beispielsweise auf die Oberfläche des Augapfels, zerfällt es in die Stabile zweiatomige Form und in ein Sauerstoffradikal. Letzteres reagiert mit der Komponente und verändert sie. Bei hinreichend vielen Radikalen, also bei hoher Ozonkonzentration, führt das unweigerlich zur Schädigung des betreffenden Objektes, wie zu den typischen Augenreizungen.

Zwischen Bildung und Zerfall des Ozonmoleküls vergehen Minuten bis Stunden. Die höchste Ozonkonzentration wird in der Regel um die Mittagszeit gemessen und lag in Los Angeles in Spitzenzeiten bei 580 Billionstel Anteile. In Deutschland (Nordrhein-Westfalen) wurden bisher Spitzenwerte von 275 Billionstel Anteile gemessen.

Da über die Mittagszeit sehr viel Ozon vorhanden ist, manifestiert sich der Schadstoffausstoß zur Nachmittagszeit nicht mehr so stark wie am Morgen, weil die Kohlenwasserstoffe durch die hohe Ozonkonzentration viel schneller abgebaut werden.

Um Schädigungen von Mensch, Tier und Pflanze durch Ozon zu minimieren sind in ganz Deutschland Ozonmessstationen aufgebaut. Nach der Weltgesundheitsorganisation sollen 65 Billionstel Anteile Ozon im Tagesmittel nicht überschritten werden. Ab 180 Billionstel Anteile wird, nach dem deutschen Ozon-Regelwerk, an die regionale Bevölkerung, wie etwa den Berlinern appelliert, ihr Auto stehen zu lassen. Höhere Anteile haben drastischere Maßnahmen zur Folge.

Glücklicher Weise geht der Ozonanteil in deutschen Städten eher zurück, womit auch Sommersmog eher weniger dramatisch in Erscheinung tritt.

Heinz Wohlgemuth

 

 

Die Redaktion Umwelt, am 16. August 2004       – ugii Homepages –